Abschlussprojekt Modul 13
Baustatische Untersuchung eines Stahlgittermastes im Freileitungsbau

Lastfälle

Belastungskombinationen nach DIN EN 50341-3-4

Auf die Tragwerke von Freileitungen wirken unterschiedliche äußere Lasten gleichzeitig, die sinnvoll zu Lastfällen zu kombinieren sind. Diese Kombinationen der Einwirkungen müssen Anforderungen hinsichtlich der Zuverlässigkeit, der Betriebssicherheit und der Personensicherheit erfüllen. Die Lastfälle müssen alle während der Errichtung und während der geplanten Lebensdauer der Freileitung zu erwartende Lastzustände soweit erfassen, dass Schäden wenig wahrscheinlich sind. Für die Bemessung der Bauteile werden alle Einwirkungen eines Lastfalls als gleichzeitig wirkend angenommen und jeweils der Lastfall ausgewählt, der die größte Beanspruchung ergibt.
In der Freileitungsnorm EN 50 341 wird zwischen Normal- und Ausnahmebelastung unterschieden, wobei dann unterschiedliche Standsicherheitsansprüche oder unterschiedliche zulässige Spannungen gelten. Als Normalbelastung werden alle im normalen Betrieb einer Freileitung auftretenden Fälle behandelt. Windbelastung ist z. B. eine Normalbelastung. Unter Ausnahmebelastung fallen Beanspruchungen die auftreten, wenn eine weniger wahrscheinliche Lastkombination vorliegt, z. B. ungleichförmige Aneisung der Felder zwischen zwei Masten oder Eisabwurf.

Für die Bemessung der Masten und Gründungen werden nach EN 50341-3-4 zwölf Lastfallbeschreibungen vorgegeben, die mit den Buchstaben A bis L bezeichnet sind. Für jedes Bauteil ist der Lastfall auszuwählen, der die größte Beanspruchung ergibt. Die Lastfälle berücksichtigen verschiedene Belastungskombinationen. Die Lastfälle A bis G beschreiben meteorologisch bedingte Belastungen. Der Lastfall H erfasst die Festpunktbelastung von Abspann- und Winkelabspannmasten im Hinblick auf die Betriebssicherheit. Im Lastfall I werden Montagelasten berücksichtigt und in den lastfällen J bis L werden die Ausnahmebelastungen infolge ungleichförmiger Aneisung und Eislastabwurf behandelt.
Die bei der Bemessung zu berücksichtigenden Lastfälle ergeben sich durch Variation der Seilgewichte und der Leitungswinkel entsprechend dem Anwendungsbereich des Tragwerks. So ist für einen Winkelmast, der für einen Leitungswinkel von 180° bis 160° ausgelegt ist, der Leitungswinkel innerhalb dieses Bereichs zu variieren, um alle maßgebenden Beanspruchungen der Bauteile zu erfassen. Bei der Berechnung der Zugkräfte in den Bauteilen und der Zugbelastung der Gründungen müssen die kleinsten Werte der ständigen Lasten verwendet werden, wenn diese die Auswirkungen der anderen Einwirkungen vermindern. Es ist hier z. B. das geringste Seilgewicht der Leiterseile anzusetzen. Außerdem ist der Teilsicherheitsbeiwert gleich 1 wenn er entlastend wirkt!

Darstellung der untersuchten Lastfälle

Lastfall F

Die Darstellung aller untersuchten Lastfälle finden sie hier: Lastfalldarstellung [.pdf]

Bild 1 von 1 (Zum Vergrößern bitte anklicken.)




Meteorologisch bedingte Belastungen - Lastfälle A bis G

Lastfall A

In diesem Lastfall sind ständige Lasten, 100% Wind in Richtung der Querträgerachse auf Leiterseile, Mast und Ausrüstung (Isolatoren etc.) sowie Leiterzugkräfte bei einer Temperatur von +5°C mit 100% Windlast als gleichzeitig wirkend anzunehmen. Dieser Lastfall kann bei großem Staudruck (abhängig von Windzone und Masthöhe) für die Diagonalen in der Wand parallel zur Querträgerachse maßgebend werden.

Lastfall B

In diesem Lastfall sind ständige Lasten, 100% Wind rechtwinklig zur Querträgerachse auf Leiterseile, Mast und Ausrüstung (Isolatoren etc.) sowie Leiterzugkräfte bei einer Temperatur von +5°C mit 100% Windlast als gleichzeitig wirkend anzunehmen. Dieser Lastfall kann bei großem Staudruck (abhängig von Windzone und Masthöhe) für die Diagonalen in der Wand rechtwinklig zur Querträgerachse maßgebend werden. Bei Winkelabspannmasten mit einem Leitungswinkel von 180° wirkt keine Windlast auf die Leiterseile.

Lastfall C

In diesem Lastfall sind ständige Lasten, 100% Wind auf Leiterseile, Mast und Ausrüstung (Isolatoren etc.) unter 45° gegen die Querträgerachse sowie Leiterzugkräfte bei einer Temperatur von +5°C mit 100% Windlast als gleichzeitig wirkend anzunehmen. Dieser Lastfall kann bei großem Staudruck (abhängig von Windzone und Masthöhe) für die Eckstiele maßgebend werden.

Lastfall D

In diesem Lastfall sind ständige Lasten, Eislast, 50% Wind in Richtung der Querträgerachse auf vereiste Leiterseile, Mast und Ausrüstung (Isolatoren etc.) sowie Leiterzugkräfte bei einer Temperatur von -5°C mit Eislast und 50% Windlast als gleichzeitig wirkend anzunehmen. Da die Windwirkung auf die vereisten Leiterseile eine zusätzliche Belastung zum Eis darstellt, erhöhen sich die Leiterzugkräfte.

Lastfall E

Dieser Lastfall entspricht Lastfall D, aber mit Windlast rechtwinklig zur Querträgerachse.

Lastfall F

Dieser Lastfall entspricht Lastfall D, aber mit Windlastunter 45° zur Querträgerachse.

Ausnahmebelastungen - Lastfälle H bis L

Lastfall H (a/b)

Dieser Lastfall gilt nur bei Abspann- und Winkelabspannmasten, wobei die Leitung als planmäßig voll belegt anzunehmen ist. Es werden zwei Temperaturfälle unterschieden. Bei der Temperatur von -20°C wirken ständige Lasten auf alle Leiter oder bei der Temperatur von -5°C ständige Lasten und Eislasten auf alle Leiter. Um die Standsicherheit für unterschiedliche Leiterzugkräfte bei Abspannmasten sicherzustellen, wird an der ungünstigsten Stelle einseitig die gesamte Horizontalzugkraft eines Leiters und gleichzeitig in die gleiche Richtung wirkend zwei Drittel der einseitigen Horizontalzugkräfte aller übrigen Leiter angesetzt. Dieser Lastfall wird bei Abspannmasten mit Leitungswinkeln größer 140° für die Bemessung der Eckstiele und Gründungen maßgebend.

Lastfall I

Dieser Lastfall beinhaltet die ständigen Lasten und Montagelasten sowie Leiterzugkräfte bei +5°C als gleichzeitig wirkend. Als Montagelast kann eine überhöhte Leiterzugkraft angesetzt werden die beim Überziehen der Leiterseile entsteht. Diese Belastung kann sich ungünstig auf die Querträger auswirken. Dieser Lastfall ist nicht Gegenstand dieser Projektarbeit.

Lastfall J

Die in diesem Lastfall entstehende Torsionsbelastung trägt unterschiedlicher Aneisung in den angrenzenden Feldern, Eisabwurf und auch Unterschiede in den Leiterzugkräften nach einem Schaden Rechnung. Gleichzeitig wirkend anzusetzen sind ständige Lasten, Eislasten und auf alle Leiter bei einer Temperatur von -5°C, wobei die Horizontalzugkraft eines oder mehrerer Leiter je nach Leiterausführung vermindert werden. Bei Masten mit bis zu zwei Drehstromkreisen wird die Horizontalzugkraft eines Leiters einseitig vermindert angesetzt. Die Verminderung ist so anzusetzen, dass die ungünstigsten Belastungen entstehen. Bei Erdseilen ist eine Verminderung von 65% anzunehmen. Bei Winkelabspannmasten wird die Horizontalzugkraft eines Einfach- oder Bündelleiters um 100% einseitig vermindert angesetzt. Dieser Lastfall wirkt sich häufig auf die Querträgeruntergurte aus. Die Torsionsbelastung kann für die Diagonalen des Mastschaftes und der Horizontalverbände in den Querträgeruntergurtebenen maßgebend werden.

Lastfall K

In diesem Lastfall wirken ständige Lasten und Eislasten auf alle Leiter bei einer Temperatur von -5°C, wobei gleichzeitig die Zugkräfte aller Leiter auf der einen Seite des Mastes vermindert angesetzt werden. Bei Winkelabspannmasten wird die Horizontalzugkraft aller Seile um 40% einseitig vermindert angenommen. Dieser Lastfall wirkt sich vor allem bei teilbelegten Abspannmasten auf die Diagonalen der Schaftwände aus.

Lastfall L

Dieser Lastfall berücksichtigt die Beanspruchung, die beim Fortfall eines Isolatorkettenstranges einer Mehrfachkette entsteht, und wirkt sich in erster Linie bei den Querträgern aus. Dabei wirken ständige Lasten, Eislasten und zugehörige Leiterzugkräfte bei -5°C, wobei zusätzlich der Fortfall eines Isolatorkettenstranges berücksichtigt wird. In dieser Projektarbeit erfolgt der Kettenbruch ungünstigst in Lastfall H-a. Der Kettenbruch hat nur Einfluss auf die Querträgerausführung.
 
Jürgen Schäfer, HTZ07 - info@schaefer-bnt.de
Balthasar-Neumann-Technikum Trier