Abschlussprojekt Modul 13
Baustatische Untersuchung eines Stahlgittermastes im Freileitungsbau

Räumliches Stabwerk für Finite-Elemente-Methode (FEM)

Grundkonzept der Finite-Elemente-Methode

Mit der Finite-Elemente-Methode (FEM) steht ein Verfahren zur Verfügung, mit dem beliebig gestaltete räumliche, statisch bestimmte und statisch unbestimmte Fachwerke systematisch berechnet werden können. Die gesamte Struktur wird in Elemente zerlegt, deren mechanisches Verhalten bekannt ist. Für Gittermasten wird von der Theorie der Stabtragwerke ausgegangen.
In einer Elementsteifigkeitsmatrix wird der Zusammenhang zwischen den Knotenverschiebungen und Knotenkräften des einzelnen Elementes beschrieben. Durch Bildung des Gleichgewichts zwischen den inneren und äußeren Knotenkräften und unter Berücksichtigung der kinematischen Verträglichkeit von Knoten- und Elementverformungen erhält man ein lineares Gleichungssystem, das eine Beziehung zwischen den unbekannten Knotenverformungen, den Weggrößen, und den Knotenlasten beschreibt und die Grundlage des Weggrößenverfahrens bildet. Die Koeffizientenmatrix dieses Gleichungssystems nennt man Gesamtsteifigkeitsmatrix. Durch Lösung des linearen Gleichungssystems erhält man die Knotenverformungen. Aus diesen Verschiebungen werden dann über das Formänderungsgesetz die Stabkräfte ermittelt. Vorausgesetzt werden dabei kleine Verschiebungen und linear-elastisches Werkstoffverhalten. Die Berechnung liefert auch den Deformationszustand der Konstruktion. Die Ergebnisse sind im Rahmen der Theorie der linearen Statik exakt.

Modellierung eines Gittermastes

Mit Stabwerkprogramm

Für die Berechnung der Stabkräfte (nach Theorie 1. Ordnung) des in diesem Projekt behandelten Gittermastes wurde das Programm "RS1 Räumliches Stabwerk" der Friedrich + Lochner GmbH verwendet. Zu Beginn jeder Berechnung müssen Daten eingegeben werden, die das betrachtete Fachwerk konkret beschreiben. Diese Daten sind u. a. die Lage der Knoten (X-, Y- und Z-Koordinaten), für jeden Stab die Angabe, welche zwei Knoten er verbindet, die Lagerung des Stabes am Knoten und die äußeren Kräfte mit Angriffspunkt, Größe und Richtung.
Man nennt den Stab in diesem Zusammenhang ein finites Element des Fachwerks, wobei das Wort finit, d. h. endlich, als Gegensatz zu infinitesimal klein zu verstehen ist. Bei der Modellierung des statischen Systems eines Gittermastes, sind einige Dinge zu beachten. Gittermasten können als reines Fachwerk oder als Stabwerk berechnet werden. Beim Gelenkfachwerk werden alle Stäbe als Fachwerkstäbe modelliert. Diese Modellbildung ist nur dann möglich, wenn die kinematische Stabilität des Fachwerks gewährleistet ist. Jede vorhandene Instabilität führt zu einer singulären Gesamtsteifigkeitsmatrix, das Gleichungssystem ist damit nicht lösbar. Instabilitäten treten in solchen Knotenpunkten auf, an denen Stäbe zusammenlaufen, die alle in der gleichen Ebene liegen. Dies trifft für Kreuzungspunkte von Diagonalen und Anschlüsse an Eckstielen im Fall versetzter Diagonalen zu. Diese Labilitäten sind jedoch Scheinlabilitäten, denn real laufen die Eckstiele und die Diagonalen im Kreuzungspunkt biegesteif durch. Bei der Modellierung der Eckstiele werden diese an den Knoten miteinander biegesteif verbunden. Die Diagonalen werden jedoch am Eckstiel mit einem Momentengelenk definiert. Dies führt das räumliche Fachwerk in ein allgemeines Stabwerk über.
Die Eckstiele werden als Durchlaufträger und die Diagonalen als Fachwerkstäbe betrachtet. An Knicken in den Eckstielen, z. B. beim Wechsel der Breitenzunahme, wird ein Momentengelenk angeordnet. An diesen Punkten werden Horizontalverbände vorgesehen, um die Umlenkkräfte aufzunehmen. Wechseln in den Bereichen gleicher Breitenzunahme an den Schussstößen die Eckstielprofile, treten Sprünge auf. Die Exzentrizitäten werden vernachlässigt und über den Breitenzunahmebereich gemittelt. Dieses Vorgehen ist pragmatisch, die Beanspruchung wird aber relativ zutreffend erfasst. (In dieser Projektarbeit werden die Eckstielkräfte zusätzlich mit dem Näherungsverfahren mittels Momentengleichgewicht auf Plausibilität überprüft. Dabei werden die tatsächlichen Abstände der Schwerachsen der Eckstiele zum Drehpunkt berücksichtigt).
Gekreuzte Diagonalen können als Fachwerkelemente modelliert werden wenn man im Kreuzungspunkt auf eine Verbindung verzichtet. Damit umgeht man das Problem der Scheinlabilität. Sekundärfachwerkstäbe werden bei der Modellierung vernachlässigt. Sie dienen der Knickaussteifung der Hauptstäbe, werden also konstruktiv angeordnet, ohne im Statikmodell zu erscheinen (siehe z. B. Positionsplan: Querträger 2, Fachwerk der Untergurtebene). Bei der Modellierung als Stabwerk ist auf die Größe der auftretenden Biegemomente in den Stäben zu achten. Das System ist trotz der Stabwerk-Modellierung als Fachwerksystem aufzufassen, das überwiegend durch Stablängskräfte (Normalkräfte) beansprucht wird. Die auftretenden Biegemomente sind Sekundärmomente, die vernachlässigbar klein sind. Große Biegemomente (und Querkräfte) deuten auf eine Verletzung der Fachwerkmodellierung hin, so dass Kräfte über Biegung abgetragen werden. In diesen Fällen ist entweder das Fachwerk entsprechend anzupassen, oder die Biegemomente sind bei den Nachweisen zu berücksichtigen, was bei Winkelprofilen zu großen Abmessungen führt und unwirtschaftlich ist.
Die in dieser Projektarbeit berechneten Stabkräfte deuten auf eine korrekte Modellierung hin. Es treten in den biegesteif modellierten Eckstielen verhältnismäßig kleine Querkräfte auf. Beim Lastfall Ha-1 werden die maximalen Eckstielkräfte ermittelt. Im Stab 660 wird eine Normaldruckkraft von ca. 690 kN ermittelt, die Querkraft beträgt dort ca. 2 kN. Die Querkräfte werden in dieser Projektarbeit bei der Stabbemessung nicht berücksichtigt!

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Stab- und Gelenkdefinitionen

Ausgaben des Stabwerkprogramms

In den unten aufgelisteten pdf-Dokumenten ist die Ausgabe des statischen Modells des projektierten Gittermastes durch das Programm "RS1 Räumliches Stabwerk" der Friedrich + Lochner GmbH enthalten. Zunächst wurden die verwendeten Querschnitte aufgelistet und mit einer Nummer versehen. Dann wird die Liste der Stäbe und deren Knoten ausgegeben. Stäbe die als Fachwerkstäbe definiert wurden (beide Stabenden sind gelenkig gelagert) wurden mit einem " * " gekennzeichnet. Darauf folgt eine Liste mit den Stäben die nur an einem Stabende einen gelenkigen Anschluss erhalten haben. Die Ziffer 1 definiert ein Momentengelenk. Zuletzt werden noch die 4 Auflagerknoten mit deren Lagerung ausgegeben. Alle 4 Auflager sind in alle Richtungen als starr definiert (4 getrennte Stufenfundamente).

 
Jürgen Schäfer, HTZ07 - info@schaefer-bnt.de
Balthasar-Neumann-Technikum Trier